1. Zulässigkeit der Beschwerde des Betriebsrats auf Aufhebung wegen Machtmissbrauchs
2. Klarstellung zu Form und Inhalt einer Abmahnung zur Geltendmachung eines Anspruchs
3. Anordnung des Verkaufs von gemeinschaftlichem Eigentum im Falle eines Insolvenzverfahrens gegen einen Miteigentümer
4. Klarstellung zum Thema Misswirtschaft
5. Klage auf Herausgabe beweglicher Sachen: Beweislast
6. Schicksal des Mitbürgen eines entlasteten Bürgen
7. Klarstellung zum Begriff des erheblichen Ungleichgewichts
8. Lieferpflicht
9. Schadensersatz bei Beendigung der Geschäftsbeziehung
10. Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Zahlungsaufforderungsanspruchs aus der Bürgschaft
11. Verfahren zur Abberufung des Abschlussprüfers

 

Betriebsrats
auf Aufhebung wegen Machtmissbrauchs 17. Februar 2015 (Nr. 14-10.279) FS-PB: Die Berufung des Betriebsrats eines Unternehmens in Insolvenz gegen das Urteil zur Genehmigung des Abfindungsplans wurde vom Berufungsgericht als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Berufungsgericht aus, dass die Anhörung des Betriebsrats vor Verabschiedung des Abfindungsplans rein beratender Natur sei und dem Betriebsrat keinen Anspruch auf Parteilichkeit einräume. Der Kassationsgerichtshof
hob das Urteil auf. Nach Ansicht des Gerichts steht die Berufung gegen das Urteil zum Abfindungsplan gemäß Artikel L. 661-6 III des französischen Handelsgesetzbuchs zwar nur dem Schuldner, der Staatsanwaltschaft, dem Übernehmer oder dem Vertragspartner zu, der Betriebsrat kann jedoch eine Nichtigkeitsklage wegen Machtmissbrauchs erheben.
 
2. Art und Inhalt der Aufforderung
an den Betriebsrat, die Abfindung zu beantragen. 17. Februar 2015 (Nr. 13-24.403) FS-PB:
In diesem Fall forderte der Insolvenzverwalter eines Unternehmens in Insolvenz einen Gläubiger zur Geltendmachung seiner Forderung auf. Die Aufforderung enthielt die Bestimmungen des Artikels R.622-21 des französischen Handelsgesetzbuchs in einer Fassung vor dessen aktueller Anwendung. Das Berufungsgericht entschied, dass die Aufforderung fehlerhaft war und die Frist zur Geltendmachung des gesicherten Teils der Forderung nicht ausgelöst hatte.
Dem Kassationsgericht wurden zwei Fragen vorgelegt: Erstens, ob die Fehlerhaftigkeit der Aufforderung auch ohne Nachweis eines Nachteils geahndet werden kann, und zweitens, ob eine Aufforderung zur Geltendmachung einer Forderung allein deshalb fehlerhaft ist, weil sie eine ältere Fassung der einschlägigen Bestimmungen enthält.
Das Kassationsgericht entschied zunächst, dass die Aufforderung keinen Verfahrensakt darstellt. Die Unwirksamkeit des Aktes unterliegt daher nicht der Anwendung von Artikel 114 der französischen Zivilprozessordnung, der insbesondere den Nachweis eines durch die Fehlerhaftigkeit verursachten Nachteils verlangt. Das Gericht hebt das Urteil insoweit auf, als das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, ob die betreffende Mitteilung ausreichend war, den Gläubiger über seine Rechte und Pflichten zu informieren.
 
3. Die Versteigerung von gemeinschaftlichem Eigentum kann im Falle eines Insolvenzverfahrens gegen einen Miteigentümer angeordnet werden
. Com. 10. Februar 2015 (Nr. 13-24.659) FS-PB:
Ein Gebäude, das nach der Scheidung der Eigentümer in gemeinschaftliches Eigentum übergegangen war, wurde vom Ehemann bewohnt. Er zahlte die Darlehensraten zurück, verhandelte die Konditionen neu und nahm anschließend ein neues Darlehen auf, in dem er als alleiniger Darlehensnehmer eingetragen wurde. Aufgrund des Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers wurde dieser von der Bank verklagt, die seinen Miteigentümer als Bürgen in das Verfahren einbezog. Nach dem Tod der Ehefrau führten deren Erben das Verfahren fort.
Auch die Aufteilung des ehelichen Vermögens gestaltete sich schwierig; ein Urteil vom 8. Februar 2011 befasste sich mit diesen Schwierigkeiten und ordnete die Versteigerung der Immobilie an. Der Ehemann legte gegen dieses Urteil Berufung ein, nachdem er am 20. Januar 2011 gerichtlich zur Sanierung verpflichtet worden war. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde mit Urteil vom 26. Januar 2012 der Sanierungsplan genehmigt und das Vermögen für unveräußerlich erklärt. Im Berufungsverfahren erhoben die Erben einen Widerspruch gegen das Endurteil.
Das Berufungsgericht wies insbesondere den Antrag der Erben auf Veräußerung des gemeinschaftlichen Eigentums zurück. Laut Berufungsgericht war der Widerspruch der Erben unzulässig, da er zu spät eingereicht worden sei und nur der Schuldner einen Antrag auf Aufhebung der Unveräußerlichkeit stellen könne.
Der Kassationsgerichtshof hob das Urteil teilweise auf, da gemäß Artikel 815 des Bürgerlichen Gesetzbuches niemand zum Verbleib im Miteigentum gezwungen werden könne und die Teilung jederzeit verlangt werden könne.
 
4. Klarstellung bezüglich Misswirtschaft
. 10. März 2015 (Nr. 12-15.505) FS-PB:
Die Geschäftsführerin einer liquidierten Gesellschaft mit beschränkter Haftung (SARL) wurde wegen Missmanagements, das zum unzureichenden Vermögen der Gesellschaft beigetragen hatte, für haftbar befunden, da sie bei der Gründung der Gesellschaft nicht genügend Kapital eingebracht hatte.
Das Urteil wurde von der Handelskammer des Kassationsgerichtshofs insoweit aufgehoben, als die den Gesellschaftern zuzurechnende Unzulänglichkeit der bei der Gründung einer Gesellschaft geleisteten Einlagen keine Missmanagement darstellt.
 
 
5. Klage auf Herausgabe beweglicher Sachen: Beweislast
. 10. März 2015 (Nr. 13-23.424) FS-PB:
Ein Gläubiger eines unter gerichtlicher Sanierung stehenden Unternehmens machte Anspruch auf professionelle Küchengeräte, die ihm unter Eigentumsvorbehalt verkauft worden waren und deren Kaufpreis teilweise noch nicht entrichtet worden war. Das Berufungsgericht entschied, dass der Schuldner nicht nachgewiesen habe, dass die Forderung bewegliches Vermögen betraf, das in anderes Vermögen integriert war und dessen Trennung nicht ohne Beschädigung möglich war, oder Vermögen, das dauerhaft mit dem Vermögen verbunden war, und ermächtigte den Gläubiger zur Rückforderung bestimmter Gegenstände.
Der Kassationsgerichtshof nahm die gegenteilige Auffassung ein und hob das Urteil auf. Laut Kassationsgerichtshof obliegt es dem Kläger, die Existenz des beanspruchten Vermögens im tatsächlichen Vermögen des Schuldners zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nachzuweisen und folglich, dass die Trennung von beweglichem Vermögen, das in anderes Vermögen integriert war, ohne Beschädigung erfolgen konnte.
 
6. Schicksal des Mitbürgen eines entlassenen Bürgen
. Mix, 27. Februar 2015 (Nr. 13-13.709), PBRI:
In diesem Fall hatte der Kläger, Geschäftsführer eines Unternehmens, dem mehrere Darlehen gewährt worden waren, als Gesamtschuldner für diese Darlehen fungiert. Da sein Mitbürge aufgrund der offenkundigen Unverhältnismäßigkeit seiner Verpflichtungen von diesen befreit worden war, wurde nach dem Zahlungsausfall des Unternehmens nur noch der Kläger auf Zahlung verklagt. Der Kläger argumentierte daraufhin gegenüber der Bank, dass ihm der Regress gegen seinen Mitbürgen verwehrt worden sei, und berief sich auf Artikel 2314 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Dieser Artikel besagt, dass ein Bürge von seiner Haftung befreit wird, wenn aufgrund des Handelns des Gläubigers die Subrogation von Rechten, Hypotheken und Privilegien des Gläubigers zugunsten des Bürgen nicht mehr möglich ist.
Dem Kassationsgerichtshof wurde daher die Frage vorgelegt, ob ein Bürge gegenüber dem Gläubiger die Unmöglichkeit der Subrogation von dessen Rechten gegenüber einem anderen Bürgen geltend machen kann.
Die Begründung des Kassationsgerichtshofs erfolgt in zwei Schritten. Zunächst stellt das Gericht klar, dass die in Artikel L.341-4 des Verbraucherschutzgesetzes vorgesehene Sanktion die Bürgschaftsvereinbarung sowohl gegenüber dem Gläubiger als auch gegenüber den Mitbürgen unwirksam macht, die anschließend keine Ansprüche gegen den von ihrer Verpflichtung befreiten Bürgen geltend machen können. Weiterhin stellt das Gericht fest, dass der Mitbürge mangels Übertragung eines ihm entzogenen Rechts in seinem Verhältnis zur Bank keinen Anspruch auf die Vorteile des Artikels 2314 des Bürgerlichen Gesetzbuches geltend machen kann.
 
7. Klarstellung zum Begriff des erheblichen Ungleichgewichts
. 3. März 2015 (Nr. 13-27.525) FS-PB:
In diesem Fall klagte der Wirtschaftsminister gegen einen Großhändler, um Praktiken zu unterbinden, die ein erhebliches Ungleichgewicht in seinen Beziehungen zu seinen Lieferanten verursachten.
Dieses erhebliche Ungleichgewicht resultierte aus zwei Klauseln in einem vom Großhändler verwendeten Standardvertrag. Die erste Klausel betraf die Verfahren zur Tarifanpassung, die zweite die Berechnung des Servicepreises und die vom Lieferanten im Falle eines Verstoßes zu zahlenden Strafen.
Die Tarifänderungsklausel sah vor, dass eine vom Vertriebshändler initiierte Tarifsenkung automatisch eine Neuverhandlungspflicht der Parteien auslösen würde, während die Lieferanten jede Erhöhung anhand objektiver Kriterien begründen müssten. Jede Änderung bedurfte der Zustimmung des Vertriebshändlers.
Da die Bedingungen für die Umsetzung der Tarifänderung nicht auf Gegenseitigkeit beruhten – je nachdem, ob die Initiative vom Vertriebshändler oder von dessen Lieferanten ausging –, stellte der Kassationsgerichtshof ein erhebliches Ungleichgewicht fest.
Die Strafklausel wiederum sah ein Strafsystem für den Fall vor, dass der Lieferant ein Mindest-Serviceniveau von 98,5 % nicht erreichte, ohne dies jedoch präzise zu definieren.
Der Kassationsgerichtshof urteilte, dass die allgemeine und unpräzise Formulierung der strittigen Klausel dieses Strafsystem automatisch greifen lasse und somit ein Ungleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien entstehe.
Es ist wichtig anzumerken, dass der Kassationsgerichtshof in beiden Fällen eine umfassende Analyse des erheblichen Ungleichgewichts vorgenommen hat. Hinsichtlich der Preisanpassungsklausel führte das Fehlen von Gegenseitigkeit in den Vertragsbestimmungen, verbunden mit dem Versäumnis des Händlers, das Vorhandensein einer Klausel zur Wiederherstellung des Gleichgewichts im Vertrag nachzuweisen, zu einem erheblichen Ungleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien. Das durch die Strafklausel verursachte erhebliche Ungleichgewicht war durch das Fehlen von Gegenseitigkeit und jeglichen Ausgleichs für dieses Ungleichgewicht gekennzeichnet.
Darüber hinaus stellte der Kassationsgerichtshof klar, dass Richter der unteren Instanzen zur Feststellung eines erheblichen Ungleichgewichts zwischen den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien nicht nur die strittigen Klauseln analysieren, sondern auch eine konkrete und umfassende Bewertung des jeweiligen Vertrags vornehmen müssen.
Es ist daher anzunehmen, dass der Kassationsgerichtshof das Urteil des Berufungsgerichts, wonach der Händler die betreffenden Praktiken einstellen und eine Geldbuße zahlen muss, wahrscheinlich nicht bestätigt hätte, wenn eine andere Klausel, die mit Sicherheit ebenfalls ein Ungleichgewicht zwischen den Parteien, diesmal jedoch zugunsten des Lieferanten, herbeigeführt hätte.
 
8. Lieferverpflichtung.
Com. 10. Februar 2015 (Nr. 13-24.501) F-PB:
In diesem Fall bestellte ein Unternehmen eine Maschine, die über ein Leasing finanziert wurde. Nach Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls stellte der Käufer die Leasingzahlungen ein und behauptete, dass keine Prototypenteile mit der vom Lieferanten zugesicherten Präzision gefertigt worden seien. Der Käufer klagte daraufhin gegen den Lieferanten und den Leasinggeber auf Aufhebung des Kaufvertrags, und der Leasinggeber beantragte ein Urteil gegen den Käufer auf Zahlung verschiedener Beträge sowie die Rückgabe der Maschine.
Das Berufungsgericht entschied, dass der Kaufvertrag wegen Verletzung der Lieferpflicht aufgehoben worden sei. Der Lieferant legte gegen diese Entscheidung Revision beim Kassationsgericht ein. Nach Ansicht des Lieferanten stellten die bedingungslose Abnahme durch den Leasingnehmer und die Übermittlung des Abnahmeprotokolls an den Leasinggeber die Bestätigung der Übereinstimmung der Maschine mit den vertraglichen Spezifikationen dar.
Das Kassationsgericht bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts und urteilte, dass die Lieferpflicht für komplexe Maschinen erst mit der tatsächlichen Inbetriebnahme des Kaufgegenstands vollständig erfüllt sei.
 
9. Schadensersatz bei Beendigung von Geschäftsbeziehungen
(Kommentar vom 10. Februar 2015, Nr. 13-26.414):
Der Kassationsgerichtshof stellt hiermit erneut fest, dass nur Schäden, die aus der plötzlichen Beendigung und nicht aus der Beendigung selbst resultieren, erstattungsfähig sind.
 
10. Voraussetzungen für die Gültigkeit eines Anspruchs auf Rückzahlung der Garantie
(Kommentar vom 10. Februar 2015, Nr. 12-26.580, FS-PB):
In diesem Fall hatte ein Unternehmen eine Anzahlung für einen Kauf geleistet. Der Bürge hatte eine auf erstes Anfordern ausgestellte Garantie für die Rückzahlung dieser Anzahlung mit Ablauf am 30. September 2008 ausgestellt. Da der Verkäufer einem Insolvenzverfahren unterlag, wurde der Vertrag nicht erfüllt. Am 25. September 2008 unterbreitete der Käufer, vertreten durch seinen Anwalt, dem Bürgen einen Antrag auf Verlängerung der Bürgschaft bis zum 30. November 2008, der von diesem angenommen wurde. Nachdem der Vertreter des Käufers am 25. November 2008 eine Zahlungsaufforderung gestellt hatte, weigerte sich der Bürge jedoch, die Bürgschaft zu erfüllen. Der Käufer klagte daraufhin gegen den Bürgen auf Zahlung.
In seinem Urteil wies der Kassationsgerichtshof die Berufung gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts zurück, das die Zahlungsaufforderung für unrechtmäßig erklärt und die Zahlungsansprüche zurückgewiesen hatte. Der Kassationsgerichtshof stellt fest: „ Nachdem er erklärt hat, dass die strikte Einhaltung der formalen und gestalterischen Anforderungen für die Inanspruchnahme der Garantie gemäß Garantiebrief und den Einheitlichen Regeln für Abrufgarantien (ICC-Veröffentlichung Nr. 458) Voraussetzung für die Autonomie der Garantie ist, dass der Begünstigte diese Anforderungen erfüllen muss, um sie in Anspruch nehmen zu können, und dass der Garantiegeber die offensichtliche Rechtmäßigkeit der an ihn gerichteten Aufforderung vor der Zahlung prüfen muss, stellt das Urteil fest, dass die Aufforderung zur Zahlung der Abrufgarantie vom Anwalt des Unternehmens gestellt wurde, der hierfür einen Nachweis über eine spezielle Vollmacht hätte erbringen müssen. Dieser Nachweis wurde weder den Faxen vom 25. September und 25. November 2008 noch den dazugehörigen Bestätigungsschreiben beigefügt .“
 
11. Verfahren zur Abberufung des Abschlussprüfers
. 10. Februar 2015 (Nr. 13-24.312) FS-PB:
Der Vorstandsvorsitzende und der Aufsichtsratsvorsitzende eines Unternehmens, dessen Jahresabschluss geprüft wurde, klagten gegen den Abschlussprüfer auf dessen Abberufung. Der Abschlussprüfer argumentierte, die Klage sei mangels Klagebefugnis des Unternehmens unzulässig. Das Berufungsgericht wies diese Einrede zurück und urteilte, die Klage sei vom Unternehmen selbst, vertreten durch seinen Vorstandsvorsitzenden und Aufsichtsratsvorsitzenden, erhoben worden. Der Kassationsgerichtshof
hob das Urteil der Vorinstanz auf und entschied, dass das Unternehmen, dessen Jahresabschluss geprüft wurde, nicht zu den Personen oder Organisationen gehöre, die berechtigt seien, die Abberufung ihres Abschlussprüfers zu beantragen.