Newsletter Nr. 15 – Wirtschaftsrecht

VORSCHRIFTEN

Reform des Obligationenrechts:
Verordnungsentwurf

JURISPRUDENZ

… vom 2. Dezember 2014:
Sammelklage des Mieters und Begleichung der Forderungen des Vermieters
… vom 27. Januar 2015:
Aufhebung der gerichtlichen Liquidation und Unterbrechung der Verjährungsfrist durch Klageerhebung
… vom 27. Januar 2015: Fehlerhafte Angabe in der im BODACC veröffentlichten Urteilsbekanntmachung
… vom 15. Januar 2015: Dauerhaftigkeit der Nichtigkeitseinrede
… vom 27. Januar 2015: Aufrechnung von Forderungen
… vom 3. Februar 2015: Übertragung von Anteilen
… vom 3. Februar 2015: Eingriff einer Muttergesellschaft in ihre Tochtergesellschaft
… vom 4. Februar 2015: Haustürgeschäfte
… vom 15. Januar 2015: Mehrfachverpflichtungen und Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit von Bürgschaften

VORSCHRIFTEN

Reform des Obligationenrechts

Artikel 8 des Gesetzes Nr. 2015-177 vom 16. Februar 2015 zur Modernisierung und Vereinfachung des Rechts und der Verfahren im Justiz- und Innenbereich, das vom Verfassungsrat am 12. Februar für verfassungsgemäß erklärt wurde (Nr. 2015-710 DC vom 12. Februar 2015), ermächtigte die Regierung, per Verordnung die zur Änderung der Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über Schuldverhältnisse erforderlichen Maßnahmen im Rahmen der Gesetzgebung zu ergreifen.
Am 25. Februar 2015 veröffentlichte das Justizministerium einen Verordnungsentwurf auf seiner Website und leitete eine öffentliche Konsultation ein, die bis zum 30. April 2015 lief. Die Verordnung sollte einige Wochen nach deren Abschluss vorgelegt werden.
Der am 25. Februar online veröffentlichte Entwurf enthält Änderungen von weitreichender Bedeutung. Während einige Bestimmungen darauf abzielen, die Rechtsprechung in das Bürgerliche Gesetzbuch zu integrieren, weichen andere davon ab. Betroffen sind unter
anderem die einleitenden Bestimmungen für den Vertragsschluss und die Regeln für die Vertragsgestaltung.
Unter den getroffenen Bestimmungen sind insbesondere folgende hervorzuheben:

  • Das Projekt definiert bzw. definiert die verschiedenen Vertragsarten neu. Insbesondere führt es eine Definition des Rahmenvertrags und des Beitrittsvertrags ein;
  • Das Gebot von Treu und Glauben erstreckt sich auch auf den Zustandekommen des Vertrags;
  • Der Entwurf legt die Bedingungen für den Widerruf und die Annahme des Angebots fest;
  • Vorkaufsrecht: Die in der Rechtsprechung vorgesehene Strafe für die Verletzung des Vorkaufsrechts wird modifiziert und in das Gesetz aufgenommen.

Vertragsgültigkeit

Der Entwurf legt eine allgemeine Informationspflicht und die entsprechenden Sanktionen bei Nichterfüllung dieser Pflicht fest.
Zu den wichtigsten Änderungen zählt die Streichung des „Grundes“ als Voraussetzung für die Gültigkeit eines Vertrags. Der Begriff wird jedoch nicht gänzlich aus dem Vertragsrecht verbannt. Vielmehr integriert der Verordnungsentwurf bestehende Regelungen, insbesondere die Rechtsprechung, und ordnet sie den auf den Vertragsgegenstand anwendbaren Regeln zu.
Sanktionen

Das Projekt schafft ein allgemeines Regime der Nichtigkeit und des Verfalls.

Auswirkungen des Vertrags

Der Entwurf verankert die Theorie unvorhergesehener Umstände.
Die Regeln für Vereinbarungen zugunsten Dritter sind im Entwurf detailliert beschrieben.

JURISPRUDENZ

Sammelklage gegen den Mieter und Begleichung der Schulden des Vermieters

Com. 2. Dezember 2014 (Nr. 13-11.059) FS-PB:

Bevor am 11. Juni 2009 ein gerichtlich angeordnetes Insolvenzverfahren gegen den Mieter eines als Schule genutzten Gebäudes eingeleitet wurde, kündigte dieser dem Vermieter zum 31. Juli desselben Jahres. Nachdem die Räumlichkeiten am 1. November 2009 endgültig geräumt worden waren, verklagte der Vermieter den Mieter auf Schadensersatz, insbesondere wegen des durch die Unmöglichkeit der Neuvermietung vor Beginn des folgenden Schuljahres entstandenen Schadens sowie auf Erstattung der Kosten für die notwendigen Reparaturen.
Das Berufungsgericht wies die Klage ab, woraufhin der Vermieter beim Kassationsgerichtshof Revision einlegte und insbesondere die Anwendung der Zahlungsbedingungen für nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Schulden beantragte. Der Kassationsgerichtshof
wies die Revision zurück. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Gericht einerseits aus, dass die Forderung des Vermieters hinsichtlich der Wiederherstellungsarbeiten nur dann eine Gegenleistung für eine dem Schuldner während der Beobachtungsfrist erbrachte Leistung im Sinne von Artikel L. 622-17 des Handelsgesetzbuches darstellt, wenn die ihm vorgeworfenen Schäden während dieser Frist entstanden sind und nicht, wie vom Gericht vorgebracht, weil die Räumlichkeiten erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgegeben wurden. Das Gericht stellte ferner fest, dass dem Vermieter vom 11. Juni bis zum 1. November 2009 als Gegenleistung für die dem Schuldner in diesem Zeitraum erbrachten Leistungen die fällige Miete sowie nach Beendigung des Mietvertrags zum 31. Juli 2009 eine Nutzungsentschädigung gezahlt worden war. Folglich schloss das Berufungsgericht zutreffend, dass die geltend gemachten Schadensersatzansprüche für den Verlust aus dem entgangenen Recht, die Räumlichkeiten nicht sofort wieder vermieten zu können, keine Gegenleistung für eine dem Schuldner erbrachte Leistung darstellten.

Aufhebung des gerichtlichen Liquidationsverfahrens und Unterbrechung der Verjährungsfrist für die Geltendmachung eines Anspruchs

Mitteilung vom 27. Januar 2015 (Nr. 13-20.463) FS-PB:

Ein Schuldner im Rahmen eines gerichtlichen Liquidationsverfahrens berief sich auf die Verjährung einer Forderung aus einem Darlehen mit Fälligkeit am 30. Juni 1989. Diese Forderung war im Rahmen eines Liquidationsverfahrens festgestellt, später aufgehoben und am 30. März 2011 in einem zweiten gerichtlichen Liquidationsverfahren wieder in Kraft gesetzt worden.
Der Kassationsgerichtshof wies die Einrede der Verjährung zurück und urteilte, dass „die Entscheidung über die Aufhebung des Beginns des gerichtlichen Liquidationsverfahrens die Wirkung der Forderungsfeststellung, die Verjährung zu unterbrechen, nicht aufhebt; diese bleibt bis zu dieser Entscheidung wirksam.“

Falsche Angabe in der im BODACC veröffentlichten Urteilsmitteilung

Mitteilung vom 27. Januar 2015 (Nr. 13-24.619) FS-PB:

Laut der Handelskammer des Kassationsgerichtshofs ist zwar gesetzlich nicht vorgeschrieben, dass die im BODACC (Amtsblatt für Zivil- und Handelssachen) veröffentlichte Bekanntmachung des Insolvenzverfahrens das im Urteil festgelegte Datum des Zahlungsstopps enthalten muss, das angegebene Datum muss jedoch korrekt sein. Folglich enthielt die Bekanntmachung in diesem Fall einen Fehler hinsichtlich des Zahlungsstoppdatums, wodurch der spätere Einspruch des Gläubigers gegen dieses Datum sinnlos wurde und somit die Frist für einen solchen Einspruch nicht in Gang gesetzt werden konnte.

Schuldenausgleich

Mitteilung vom 27. Januar 2015 (Nr. 13-18.656) F-PB:

Zur Zurückweisung eines Aufrechnungsanspruchs stellte das Berufungsgericht fest, dass eine Aufrechnung ausgeschlossen sei, wenn der Anspruch des Schuldners auf einer missbräuchlichen Vertragserfüllung durch den Gläubiger beruhe. Dies war hier der Fall, da das in diesem Punkt rechtskräftige Urteil ausdrücklich feststellte, dass die Haftung des Gläubigers unter anderem auf der überhöhten Rechnungsstellung von Lizenzgebühren beruhte, die in keinem Verhältnis zu Art und Umfang der erbrachten Leistungen stand. Der Kassationsgerichtshof
hob das Urteil mit der Begründung auf, dass das Berufungsgericht durch die Bezugnahme eines Anspruchs aus überhöhter Rechnungsstellung, der auf mangelhafter Vertragserfüllung beruht, auf einen Anspruch aus demselben Vertrag gegen die Artikel 1134 und 1147 des Bürgerlichen Gesetzbuches sowie gegen Artikel L. 621-24 des Handelsgesetzbuches in der Fassung vor dem Gesetz vom 26. Juli 2005 zum Schutz von Unternehmen verstoßen habe.

Der fortdauernde Charakter der Ausnahme der Nichtigkeit

1. Zivilkammer, 15. Januar 2015 (Nr. 13-25.512) F-PB:

Der Kassationsgerichtshof erinnert hier daran, dass die Einrede der Nichtigkeit nur dann geltend gemacht werden kann, wenn es um die Erwirkung eines noch nicht vollzogenen Rechtsakts geht.

Übertragung sozialer Rechte

Mitteilung vom 3. Februar 2015 (Nr. 13-12.483) F-PB:

In diesem Fall wies das Berufungsgericht den Antrag auf Nichtigerklärung einer Aktienübertragung wegen Betrugs aufgrund einer bestehenden Vermögensgarantie zurück.
Der Kassationsgerichtshof hob das Urteil auf. Laut Gericht ergänzen vertragliche Garantien, die sich auf die Art der Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten des Unternehmens beziehen, die gesetzlichen Bestimmungen und entziehen dem Aktienkäufer, der geltend macht, seine Zustimmung sei ungültig gewesen, nicht das Recht, die Nichtigerklärung des Geschäfts auf Grundlage dieser Bestimmungen zu beantragen. Folglich konnte die Abweisung der Klage nicht allein mit dem Vorliegen einer Vermögensgarantie gerechtfertigt werden.

Einmischung einer Muttergesellschaft in ihre Tochtergesellschaft

Mitteilung vom 3. Februar 2015 (Nr. 13-24.895) F-PB:

Wegen Zahlungsverzugs eines Vertragspartners verklagte ein Unternehmen eine Holdinggesellschaft innerhalb desselben Konzerns auf Zahlung. Das Berufungsgericht gab der Klage statt und verurteilte die Holdinggesellschaft zur Zahlung eines bestimmten Betrags. Die Holdinggesellschaft legte gegen dieses Urteil Berufung beim Kassationsgericht ein. Zur Begründung ihrer Berufung berief sie sich auf den Grundsatz der juristischen Selbstständigkeit, wonach ein Unternehmen nicht für die Schulden eines anderen Unternehmens innerhalb desselben Konzerns haften kann.
Das Kassationsgericht wies die Berufung mit der Begründung zurück, dass mehrere Umstände den Anschein erweckt hätten, die Holdinggesellschaft handle anstelle ihrer Tochtergesellschaft. So hatte das Berufungsgericht unter anderem festgestellt, dass die Holdinggesellschaft, die die Kapitalmehrheit des Vertragspartners hielt, eine ähnliche E-Mail-Adresse, dieselbe Anschrift und denselben Geschäftsführer wie der Schuldner besaß. Die Holdinggesellschaft hingegen hatte bereits im vorprozessualen Stadium mehrfach interveniert, um über die Höhe der Forderung zu verhandeln. Dabei schlug sie insbesondere einen niedrigeren Betrag vor, der sich aus den auf frühere Bestellungen gewährten Rabatten ergab, und versuchte, eine gütliche Einigung zu erzielen.

Haus-zu-Haus-Verkauf

1. Zivilkammer, 4. Februar 2015 (Nr. 14-11.002) F-PB:

In diesem Fall erhielt der Kläger ein Schreiben an seine Wohnadresse, in dem ihm unter dem Versprechen von Geschenken die Lieferung eines neuen Fahrzeugs versprochen wurde. Im Anschluss an diesen Briefwechsel begab er sich zum Firmensitz, um einen Leasingvertrag für ein neues Fahrzeug mit Kaufoption abzuschließen. Er erhob Klage gegen den Verkäufer wegen unlauterer Werbung und beantragte die Nichtigerklärung des Vertrags.
Der Kassationsgerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichts auf, welches geurteilt hatte, der Leasingvertrag mit Kaufoption sei an einem Ort abgeschlossen worden, der für Marketingzwecke bestimmt sei, und verweigerte dem Kläger somit den Schutz, der Verträgen im Rahmen von Haustürgeschäften zusteht.

Mehrfache Verpflichtungen und Bewertung der unverhältnismäßigen Natur der Garantien

1. Zivilkammer, 15. Januar 2015 (Nr. 13-23.489) F-PB:

Das Berufungsgericht wies die Behauptung der offensichtlichen Unverhältnismäßigkeit der Bürgschaftsverpflichtungen zurück und stellte fest, dass die Schulden des Bürgen aus Hypothekendarlehen bestünden. Der Kassationsgerichtshof hob dieses Urteil auf und erklärte, die Unverhältnismäßigkeit müsse im Lichte der Gesamtverschuldung des Bürgen, einschließlich der aus Bürgschaftsverpflichtungen resultierenden, beurteilt werden.