Der Kassationsgerichtshof, der in einer Plenarversammlung tagt, hat gerade die Prätorianerregel aus dem Jahr 1971 überprüft, wonach es nicht möglich ist, beim Kassationsgerichtshof gegen ein Urteil oder ein nach einer Verweisung ergangenes Urteil Berufung einzulegen, sobald die angenommene Lösung in Einklang steht mit dem Vorlagebeschluss.

Kass., ass. Plen., 2. April 2021, P+R, Nr. 19-18.814

Ausgehend von einer umgekehrten von Artikel L.431-6 des Code of Judicial Organization , wonach die Verweisung an die Plenarversammlung erforderlich ist, wenn nach der Kassation die Entscheidung des vorlegenden Gerichts mit denselben Mitteln angefochten wird (Situation in denen sich das vorlegende Gericht "widersetzte"), sollte diese Regelung eine gewisse Rechtssicherheit wahren, indem sie die Anfechtung von Entscheidungen nach den Vorlageurteilen verhinderte und im Gegenteil die betreffenden Rechtsstreitigkeiten endgültig beendete.

Paradoxerweise könnte es zu einem Bruch der Einheit der Rechtsprechung und sogar zu einer Gleichbehandlung der Prozessparteien führen, wenn die im Vorlagebeschluss erzielte Lösung gerade vor dem die Vorlageregeln erlassenden Gericht geändert wurde.

Dies war der Fall in dem der Plenarversammlung vorgelegten Fall, in dem ein Arbeitnehmer gegen die Verurteilung seines ehemaligen Arbeitgebers wegen Asbestexposition Rechtsmittel erwirkt hatte. Das Berufungsurteil wurde mit der Begründung aufgehoben, dass der betreffende Betrieb nicht in den Genuss des besonderen Entschädigungssystems für Asbestopfer komme, was das vorlegende Gericht mit der Ablehnung des Antrags auf Entschädigung des ehemaligen Arbeitnehmers zur Kenntnis genommen habe.

Inzwischen hat der Kassationsgerichtshof die Regel erlassen, dass Arbeitnehmer, die Asbest ausgesetzt sind, in Betrieben, die nicht unter die spezifische Entschädigungsregelung fallen, dennoch nach den Regeln des Common Law entschädigt werden können.
Um von der Neuregelung profitieren zu können, hatte der ehemalige Arbeitnehmer Kassationsbeschwerde eingelegt, die sein ehemaliger Arbeitgeber mit der Begründung als unzulässig erhob, dass gegen eine Berufungsentscheidung, die der Kassationslösung entspricht, kein Rechtsbehelf eingelegt werden könne.

Mit Beschluss vom 02.04.2021 stellt die Vollversammlung fest, dass die Berufung des ehemaligen Mitarbeiters zulässig ist und hebt den über die Kündigung ergangenen Berufungsbescheid auf.

Gegen ein auf Grund des Kassationsurteils ergangenes Vorlageurteil kann daher nunmehr Berufung eingelegt werden, da sich die geltende Norm inzwischen geändert hat.

Zu definieren bleibt jedoch, was unter Normänderung zu verstehen ist (ist eine Gesetzesänderung abgesehen von einer etwaigen Aufhebung seitens des Kassationsgerichtshofs förderfähig?), sonst könnte der von der Vollversammlung eröffnete Verstoß dem Gesetz dienen zunächst verfolgten Ziel der Rechtssicherheit.

Jefferson Larue

Jefferson Larue

Autor

beigeordneter Rechtsanwalt

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